Technik, Transport und Betriebsführung

Wagenpark
Verkehrsaufkommen
Besondere Vorkommnisse
Betriebseinstellung und Abbau

Die den blau markierten Textteilen hinterlegten Bilder stammen zum überwiegenden Teil aus der Sammlung von Pfarrer Dango aus Herrnhut.

Lokomotivpark:

Alle Loks gehörten bis 1924 zum Maschinenamt Dresden 11 (Dresden-Neustadt). Ab 1924 unterstanden sie dem Lokbahnhof Bernstadt, welcher zum Bw Löbau gehörte. Da das Bw Löbau keine Schmalspurmaschinen betreute, wurden die Loks dem Bw Zittau entnommen. Der Loktausch fand neben Zittau auch mit den Lokbahnhöfen Taubenheim und Goßdorf-Kohlmühle häufig statt. Bis 1926 beherrschte die 1 K den Zugdienst. Sie wurde von den Maschinen der Gattung IV K abgelöst. Der Einsatz von III K-Loks ist dagegen nicht nachgewiesen. Von 1893 bis 1924 und von 1942 bis 1945 gehörten jeweils zwei Maschinen zum Bestand, wovon eine stets in Reserve stand. In der Zwischenzeit waren drei Loks in Bernstadt stationiert. Folgende Loks befuhren die Strecke:

Gattung I K

Nummer Zeitraum Bemerkung Verbleib
2
um 1900 Ersatzlok ausgemustert 1926
14
1900, 1910-1926 Stammlok ausgemustert 1927
15
1893-1920 auch in Taubenheim ausgemustert 1921
16
kurzzeitig Stammlok in Taubenheim ausgemustert 1923
17
kurzzeitig Tauschlok, auch in Zittau und Taubenheim ausgemustert 1927
22
1893-1898 später noch vereinzelt ausgemustert 1927
23
1920-1924 Tauschlok ausgemustert 1924
49
1924-1926 ehemals ZOJE Nr. 1 ausgemustert 1929

Gattung IV K

Nummer Zeitraum Bemerkung Verbleib
99 525
40er Jahre Tauschlok mit Taubenheim zerlegt 22.5.1959
99 531
30 er Jahre Ersatzlok von Hohnstein verschollen 1943
99 546
1934-1946 im Austausch mit Taubenheim 1946 Reparation an UdSSR
99 554
30er und 40er Jahre auch in Taubenheim CSR
99 555
20er und 30er Jahre Stammlok von Hohnstein im Lokschuppen Bertsdorf beim Interessenverband der Zittauer Schmalspurbahnen e. V.
99 556
1924-1926   ausgemustert Dezember 1967
99 558
1925-1945 zeitweise auch Taubenheim 1946 Reparation an UdSSR
99 595
40er Jahre   ausgemustert und zerlegt 1967

Obwohl die Strecke über Reserveloks verfügte, kam es häufig vor, daß diese an andere Strecken wegen Lokomotivmangel ausgeliehen wurden. Fiel die einzige Lok dann durch irgend einen Schaden aus, kam sofort eine Ersatzlok von Zittau. Diese wurde unter Dampf auf einem Transportwagen gebracht und man nahm die defekte Lok gleich mit zur Reparatur. Kleinere Reparaturen konnten in Bernstadt an den Fahrzeugen durchgeführt werden. Größere Ausbesserungen erfolgten grundsätzlich in Zittau oder den zuständigen Ausbesserungswerken, bis 1929 in Dresden-Friedrichstadt, danach im RAW Chemnitz.

Wagenpark:

Der Wagenpark war völlig dem geringen Verkehrsaufkommen angepaßt. Zur Betriebseröffnung waren vier zweiachsige und ein vierachsiger Personenwagen mit insgesamt 126 Plätzen vorhanden. Etwa 1925 waren die Zweiachser durch vierachsige Reisezugwagen ersetzt. Im Oktober 1935 ergab sich folgender Bestand von Personen- und Gepäckwagen:

Wagengattung Anzahl
BC 4
1
C 4
2
C 4 tr
1
Pw
1
Pw 4
1
Summe
6

Der Güterwagenpark bestand zur Betriebseröffnung aus sechs gedeckten und 14 offenen Zweiachsern mit 100 t Ladegewicht. Der Bestand im Oktober 1935 war:

Wagengattung Anzahl
GGw
15
Ow
2
OOw
17
OO
10
Hw
11
HH
2
KKw
2
Summe
59

Die überraschend hohe Zahl an Güterwagen war um diese Zeit beachtlich. Andere sächsische Schmalspurbahnen mit vergleichbarer Länge besaßen zum gleichen Zeitpunkt nicht einmal halbsoviele Wagen. Die Erklärung dafür ist, daß auf der Linie kein Rollfahrzeugverkehr durchgeführt wurde und somit alle Güter in schmalspurigen Güterwagen transportiert werden mußten. Die zweiachsigen Wagen blieben bis Betriebseinstellung im Bestand, wobei die Hw-Wagen noch zum Streckenabbau benutzt worden sind. Die Reisezugwagen besaßen alle Ofenheizung und Gasbeleuchtung. Die Loks hatten Petroleumlampen, welche der Heizer zu pflegen hatte. Zug- und Stoßvorrichtung war für alle Fahrzeuge die Trichterkupplung und als Bremseinrichtung diente die Heberleinbremse.

Verkehrsaufkommen

Die Bahn diente ausschließlich lokalen Interessen. Sie vermittelte den Reiseverkehr mit Herrnhut und der "weiten Weit". Im Güterverkehr beförderte sie die Produkte der ansässigen Industrie, Land- und Forstwirtschaft. Im Gegensatz zur Taubenheimer Bahn förderte die Strecke das Entstehen neuer Betriebe kaum. Das Verkehrsaufkommen war über die gesamte Betriebszeit schwach. Zu den wichtigsten Gütern gehörten Kohlen, Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte, Düngemittel, Langholz, Stückgüter, Baumaterialien, Baumwolle, Reißwolle, Lumpenabfälle und Faserholz.

So bekam die gesamte Bernstädter Industrie (Baumwoll-, Abfallspinnerei und Scheuertuchweberei) alle Rohstoffe über die Bahn und versandte mit ihr die Fertigerzeugnisse. In den, umliegenden Wäldern wurde Holz geschlagen und mit der Eisenbahn abtransportiert. Die gesamte Milch fuhr man in Kannen nach Herrnhut in die dortige Molkerei.

Auch der Stückgut- und der Kohlenverkehr waren zeitweise bedeutend. Im Jahre 1904 wurden 7625 t Kohle umgeschlagen (von denen fast 6000 t auf Bernstadt entfielen). Das entsprach 57,2% des Gesamtgüteraufkommens!! Die meisten Stückgüter waren Industriefertigwaren der vorher erwähnten Betriebe. Die bedeutendste Station der Linie war der Bahnhof Bernstadt. 1894 erhielt er 5 267 t Güter und versandte 2 159 t. Der Güterverkehr der anderen Stationen war dagegen im Vergleich äußerst gering.

Interessante Dokumente im Zusammenhang mit dem Güterverkehr sind Frachtbriefe. Der hier gezeigte stellt insofern eine Rarität dar, als dass sowohl die Versand- wie die Empfangsstation mit Kunnersdorf a.d. Eigen und Berthelsdorf (s. Detail) Stationen dieser Bahnlinie waren!!

Der Personenverkehr war wie der Güterverkehr sehr schwach. Lediglich ein zahlenmäßig nicht sehr hoher Berufsverkehr nach Bernstadt zu den dortigen Fabriken war zu verzeichnen. Der Rest war Einkaufs- und Geschäftsverkehr. Da die Gegend um Bernstadt kaum Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele hatte, entfiel auch der Ausflugsverkehr. Lediglich zu einigen Festlichkeiten, wie der Gewerbe-, Landwirtschafts- und Tierschau 1925, dem 40jährigen Jubiläum der Bahn und der 700-Jahr-Feier von Bernstadt 1934, verkehrten sehr gut besetzte Sonderzüge.

In den ersten Betriebsjahren verkehrten vorrangig Personenzüge mit Güterbeförderung (PmG). So fuhren im ganzen Jahre 1899 nur 60 reine Personenzüge, hingegen 2180 PmG's. Täglich verkehrten drei Zugpaare, an Sonn- und Feiertagen ein zusätzliches Paar, wie ein Blick auf den Sommerfahrplan von 1939 zeigt. In Herrnhut bestanden dabei gute Anschlußmöglichkeiten von und nach Löbau bzw. Zittau. Ab 1925 führte man eine weitgehende Trennung von Reise- und Güterverkehr durch. Die Personenzüge bestanden in den letzten Betriebsjahren meist aus Pack- und zwei vierachsigen Personenwagen. Sonntags wurde ein weiterer Wagen in den Zugverband eingestellt. Die Reisezeit betrug zwischen 44 und 49 Minuten bei den PmG und verkürzte sich auf 33 bis 38 Minuten bei reinen Reisezügen.

Ein geringer, aber nicht unbedeutender Teil des Transportaufkommens war die Beförderung von Postsachen. Vom 1. Dezember 1893 bis zur Betriebseinstellung existierte eine Transportbahnpost. Die Briefpost wurde von Angestellten des Postamtes Bernstadt dem Zugführer gegen Nachweis in geschlossenen Postsäcken übergeben . Angestellte des Postamts Herrnhut holten sie auf dem Bahnhof vom Packwagen ab. Umgekehrt gab es die gleiche Reihenfolge. Pakete beförderte die Bahn nicht, das geschah mit posteigenen Straßenfahrzeugen, weiche auch den Postaustausch mit den anderen Ortschaften vermittelten. An den Packwagen waren Briefkästen angebracht, wo auf allen Stationen Post eingesteckt werden konnte. Diese wurden dann vom Postpersonal in Herrnhut oder Bernstadt geleert und auf den Postämtern mit den dortigen Entwertestempeln versehen. Somit gibt es von der Strecke Herrnhut - Bernstadt keine Bahnpoststempel.

Besondere Vorkommnisse

Die Zuglänge durfte nur 40 Achsen betragen und als Höchstgeschwindigkeit waren 20 km/h festgelegt. Erst nach der Oberbauverstärkung 1925/26 setzte man sie auf 25 km/h herauf. Trotzdem blieb unsere Bahn nicht von Betriebsstörungen verschont. Infolge wolkenbruchartiger Niederschläge kam es 1897 zu einem Hochwasser im Pließnitz- und Petersbachtal. An verschiedenen Stellen mußten neue Ufermauern hergestellt sowie Böschungs- und Uferbefestigungen repariert werden. Der Verkehr war aber nur am 30. Juli 1897 stellenweise unterbrochen.

Am Tage des Kriegsausbruches, am 1. August 1914, entgleiste eine I K-Lok in der Nähe der Gaststätte "Zum Ahneschlösschen" in Berthelsdorf und stürzte um. Dabei wurde die nahe Kegelbahn zerstört. Nur acht Jahre später entgleiste wieder eine I K am 26. März 1922 in Oberrennersdorf bei der Wagenfabrik Anders ("Wahnel-Anders") infolge einer Frosterhebung und stürzte um. In beiden Fällen kamen keine Personen zu Schaden. Ab 14. Juli 1932 war der Abschnitt Kunnersdorf - Bernstadt für ca. vier Wochen gesperrt, da abgerutschte Steine die Gleisanlage zerstört hatten. Der Verkehr lief in dieser Zeit nur von Herrnhut bis Kunnersdorf. Dort bestand die Möglichkeit, die Lok umzusetzen.

Das Ende unserer Bahn

So verlief die Geschichte der Bahn ohne größere Höhepunkte, ausgenommen die Gewerbe-Landwirtschaftsausstellung 1925 und die 700-Jahr-Feier von Bernstadt im Jahre 1934. Das Goldjubiläum 1943 stand schon ganz im Zeichen des faschistischen Krieges. 17 Monate später erreichten dann die Kriegsereignisse auch das Gebiet unserer Schmalspurbahn. Die faschistische Wehrmacht kämpfte auch hier faktisch bis "5 nach 12". Zum Zeitpunkt der Kampfhandlungen ist der Verkehr auf der Bahn eingestellt worden. Gegen Ende Mai wurde der Verkehr wieder aufgenommen, da die Bahn nicht unter den Kriegseinwirkungen gelitten hatte. Hauptsächlich Umsiedler und Flüchtlinge nutzten die Bahn. Die Anwohner fuhren kaum mit, wohin und wozu hatten sie auch mitfahren sollen. Die Bahn wurde zum wichtigsten Beförderungsmittel zur Versorgung der Bevölkerung und der Fabriken. Hauptsächlich sind Brennstoffe, Lebensmittel und Rohstoffe befördert worden. Doch die Tage unserer Schmalspurbahn waren gezählt. Der Beschluß zur Demontage wurde alsbald gefaßt.

Über den genauen Einstellungstermin und den Abbau der Strecke gibt es zwei sich widersprechende Varianten. Fest steht, daß die Bahn im Sommer 1945 noch fuhr. Nach Unterlagen des ehemaligen Dienstvorstehers von Bernstadt, Fritz Wiedner, verkehrte am 1. Oktober 1945 der letzte Zug und anschließend ist die Strecke bis zum 16. Oktober bis zur Haltestelle Kunnersdorf abgebaut worden. Der restliche Abbau erfolgte vom 11. November bis zum 15. Dezember 1945.

Herr Alfred Ansorge erinnerte sich dagegen mit aller Entschiedenheit an folgendes: Das Lokpersonal des letzten Zuges bestand aus dem Lokführer Ernst Thost und dem Heizer Fritz Schulze. Am 25. September 1945, dem Silberhochzeitstag der Eltern von Herrn Ansorge, wurden die Gleise unmittelbar vor dem Haus der Familie, welches direkt an der Bahnlinie lag, abgebaut. Das Haus lag auf dem Abschnitt Kunnersdorf - Bernstadt. Die Schwester von Herrn Ansorge erinnert sich noch genau, daß der Personenzug an diesem Tage noch von Herrnhut bis Kunnersdarf a. d. E. gefahren ist. Herr Ansorge selbst kehrte am 22. Oktober 1945, verwundet auf zwei Krücken, aus dem faschistischen Kriege nach Hause zurück. Ihm ist das noch so bewußt, da er mühsam bis Kunnersdorf laufen mußte. Die Bahn wäre zu diesem Zeitpunkt bereits völlig abgebaut gewesen.

Fest steht jedenfalls, daß die Strecke Ende 1945 restlos abgebaut war. Am Abbau wirkte u. a. Erich Grau aus Berthelsdorf mit, der sich noch erinnert, daß beim Abbau nach kein Schnee lag, aber die Ernte bereits vorüber war. Kurt Kirchner aus Berthelsdorf war Anfang 1946 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Er war auch bei der Verladung des Materials im Juni/ Juli 1946 auf dem Herrnhuter Bahnhof beschäftigt. Wegen seiner Sprachkenntnisse ist er schon nach kurzer Zeit zum Brigadier des Verladekommandos berufen worden. Das rollende Material wurde über eine Kopframpe auf Rungenwagen verladen, auf welche man zuvor Schienen genagelt hatte. Nach Aufzeichnungen von Herrn Kirchner wurden je zwei Lokomotiven und Packwagen, acht Personenwagen und 24 Güterwagen verladen und abtransportiert. Für die Bevölkerung war der Abbau der Bahn ein großer Härtefall, fehlte doch plötzlich das wichtigste Verkehrsmittel. In der Folgezeit eröffnete der Kraftverkehr KOM- und Güterkraftlinien, so daß Bernstadt und Umgebung bald wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen waren.

Quelle: Wagner, Paul, Krause, Walther, "Die Geschichte der Schmalspurbahnen Taubenheim (Spree) - Dürrhennersdorf und Herrnhut - Bernstadt", Radebeul 1988, S. 45 - 50



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