Vorgeschichte, Bahnbau und Eröffnung

Täglicher Arbeitsverdienst
Unterbau, Oberbau, Hochbauten
Sonstige Anlagen, Kunstbauten, Wegeübergänge
Geländeprofil
Herstellungskosten
Eröffnung

Die den blau markierten Textteilen hinterlegten Bilder stammen zum überwiegenden Teil aus der Sammlung von Pfarrer Dango aus Herrnhut.

Bereits im Jahre 1874 hatte Oberbaurat C. Th. Sorge, Direktor der Sächsischen Eisenbahn-Gesellschaft, eine 19,25 km lange normalspurige Strecke zwischen Herrnhut und Hagenwerder vorgeschlagen. Die sogenannte "Pließnitzbach-Bahn" konnte aus den verschiedensten Gründen nicht realisiert werden. Die Vertreter Bernstadts versuchten in der Folgezeit immer wieder, ihre Stadt an das Eisenbahnnetz anzuschließen. Die Sächsische Regierung und die Stände erkannten diese Forderungen auch an. Jedoch gab es vielerlei Diskussionen um die Linienführung. So entstanden zwei Varianten:

Ausgangspunkt Löbau:

Ausgangspunkt Herrnhut:

Die erste Variante hätte eine größere Betriebslänge, viel größere Aufwendungen und sehr hohe Kosten verursacht. Außerdem war die Berührung der Orte zwischen Herrnhut und Bernstadt und der "Fabriketablissements" mit dieser Linienführung nicht möglich. "Mit Rücksicht hierauf und da ohnehin eine irgend befriedigende Rente von dem aufzuwendeten Baukapitale durch den der neuen Linie zufallenden Verkehr zunächst nicht zu erwarten stand, im übrigen auch anzunehmen war, dass die minderkostspielige Linie von Herrnhut nach Bernstadt vollständig im Stande sein werde, das hier vorhandene wenig umfängliche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen", (Quelle: Ledig/Ulbricht, "Die schmalspurigen Staatseisenbahnen im Königreiche Sachsen", Leipzig 1895, S. 132) so entschied man sich für die Schmalspurbahn. Dies hatte den Vorteil, dass die Verkehrsbedürfnisse sowohl in Richtung Löbau als auch nach Zittau gut vermittelt werden konnten. Weiterhin bot sich das Bachtal, welches durch einige bewohnte Ortschaften führte, für eine Schmalspurbahn geradezu an. Dabei wurden mehrere Mühlen und Tuchfabriken berührt, was "auch die weitere Ausnutzung der vorhandenen Wasserkräfte mittels neuer industrieller Anlagen, welche unmittelbaren Gleisanschluss erhalten können, zu begünstigen vermag." (ebenda) Eine Hoffnung, die sich später leider nicht verwirklichen sollte.

Die Gegend zwischen Herrnhut und Bernstadt war aufgrund der guten Böden landwirtschaftlich sehr ertragreich. Für den Bau der Bahn mussten etliche dieser Flächen angekauft werden, was die Grunderwerbskosten sehr in die Höhe trieb. Dafür stand eine Summe von 151.541,55 M zu Buche. Die zwei Kilometer längere Taubenheimer Strecke benötigte nur 130 546,67 M für diese Position! Der Sächsische Landtag erteilte am 30. August 1892 die Konzession für die Strecke.

Der Baubeginn war im September 1892. In diesem Jahr arbeitete man nur an den Hochbauten. Die höchste Anzahl der Arbeiter war im Oktober 67 Mann, davon 34 Maurer und 4 Steinmetzen. Während der Bauzeit 1893 waren durchschnittlich 238 Arbeitskräfte pro Monat beschäftigt. Der Höchststand fiel in den Monat April mit 444 Beschäftigten. Der tägliche Arbeitsverdienst betrug:

 
Accord
Tagelohn (M)
Maurer/Steinmetzen  
2,60-3,97
Zimmerer  
2,00-3,00
Handarbeiter  
1,50-2,47
Erdarbeiter
1,50-2,00
1,50-2,40

Die meisten Arbeitskräfte stammten aus Italien und wurden besonders schlecht bezahlt. Mit diesen Einsparungen wollte die Bauleitung die hohen Grunderwerbskosten egalisieren.

Wegen der relativ unkomplizierten Trassenführung gingen die Bauarbeiten auch rasch und ohne Komplikationen voran. Ende November war der Bahnbau beendet. Insgesamt waren fertiggestellt:

Unterbau:

Oberbau:

Hochbauten:

Sonstige Anlagen:

Kunstbauten:

Wegeübergänge:

Von der Bahn lagen:

Geländeprofil:

Von 344 m ü.N.N. in Herrnhut steigt die Strecke minimal auf 346 m an um dann bis Bernstadt auf 234 m abzufallen

Damit fiel die Linie im ganzen um 112 m. Der einzige Steigungsabschnitt - von 1 :50 kam zusammenhängend in einer Länge von 80 m und der größte Gefälleabschnitt (1 : 40) auf 724 m Länge zwischen Herrnhut und Niederstrahwalde vor.

Die Herstellungskosten der Bahn betrugen:

Anteil an den Gesamt- kosten dto. im Durchschnitt aller sächsischen Schmalspur bahnen Herrnhut - Bernstadt im Vergleich zum Durchschnitt Ausgaben für
19,24 %
11,42 %
168,50 %
151.541,55 M
Grunderwerb und Nutzungsentschädigungen
8,64 %
18,27 %
47,29 %
68.043,90 M
Erd-, Fels- und Böschungsarbeiten sowie Futtermauern
0,03 %
0,11 %
27,27 %
205,70 M
Einfriedungen
1,38 %
2,55 %
54,11 %
10.832,84 M
Wegeübergänge, Über- und Unterführungen
5,81 %
11,43 %
50,83 %
45.755,49 M
Brücken und Durchlässe
31,85 %
27,48 %
115,90 %
250.861,12 M
Oberbau
0,57 %
0,58 %
98,20 %
4.509,16 M
Signale
15,80 %
14,23 %
111,03 %
124.431,62 M
Bahnhöfe und Haltestellen
14,06 %
11,49 %
122,36 %
110.766,13 M
Verwaltungskosten
2,62 %
2,02 %
129,70 %
20.668,85 M
Allgemeinkosten und Verzinsung des Baukapitals

Die Gesamtsumme betrug 787.616,18 M, wodurch auf jeden Kilometer 77.981,80 M entfielen.

Es fällt auf, dass wie schon oben beschrieben, insbesondere die Ausgaben für Grunderwerb und Nutzungsentschädigungen weit über dem Durchschnitt sächsischer Schmalspurbahnen lagen. Die Ausgaben für Erdarbeiten, Wegeübergänge, Brücken und Durchlässe hingegen lagen weit unter dem sächsischen Durchschnitt (ca. nur die Hälfte!!), was für eine geschickte Trassierung der Strecke spricht.

Am 28. November 1893 gab das Finanzministerium mit der Bekanntmachung Nr. 81 die Eröffnung der Bahn für den 1. Dezember bekannt. Die feierliche Eröffnung fand am 30. November statt. Um 9 Uhr fuhr ein Extrafestzug nach Herrnhut, um die geladenen Gäste und die offiziellen Vertreter der Kgl. Generaldirektion abzuholen. 11.30 Uhr fuhr der Zug zurück nach Bernstadt. Links und rechts der Bahn und alle Betriebsstellen hatte man festlich geschmückt. Musikkapellen, Vereine und Ehrenjungfrauen begrüßten die Ehrengäste. Den Dank des Staates für die dargebrachten Glückwünsche und Festreden erwiderte der Finanzrat Dr. Kürsten in seiner Funktion als Kgl. Kommissar für den Bahnbau. Den Festzug zogen die 1 K-Loks 15 und 22. Der Höhepunkt der Eröffnungsfeierlichkeiten war in Bernstadt. Die Festveranstaltung fand im Gasthof "Stadt Görlitz" mit anschließendem Festessen statt. Der Sonderzug brachte an diesem kalten Winterabend gegen 17.30 Uhr die Gäste wieder zurück nach Herrnhut. Am nächsten Tag begann der allgemeine Verkehr.

Quelle: Wagner, Paul, Krause, Walther, "Die Geschichte der Schmalspurbahnen Taubenheim (Spree) - Dürrhennersdorf und Herrnhut - Bernstadt", Radebeul 1988, S. 37 - 40

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